Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin

Wettbewerbsbeitrag von Wandel Lorch Götze Wach 2023, 2. Preis

Der Beitrag unseres Büros zur Ausstellungsneuplanung und Erweiterung der alten Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin ist geprägt von der erfürchtigen Herangehensweise an eines der bedeutendensten Berliner Wahrzeichen und einer gleichermaßen kraftvollen Neuausrichtung der Ausstellungsarchitektut und des Besuchererlebnisses. Der noch erhaltene Turm der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist (nicht nur) im Ensemble zum Gebäudekomplex Egon Eiermanns ein Wahrzeichen Berlins. Der Turm ist nicht trotz, sondern gerade wegen seiner ungeschönten Zerstörung ein Mahnmal für Frieden und Versöhnung.

„So ist hier ein anderer Erinnerungsort mit vielen historischen Schichten entstanden, der exemplarisch für den religiös-politischen Neuanfang in Berlin stehen kann“ – Aleida Assmann

Aus diesem Grund ist es wichtig den Turm in seiner bestehenden Form zu belassen – keine Wunden sollen geschlossen, keine Schuld verdeckt werden. Alle Eingriffe werden deswegen ausschließlich reversibel und additiv ausgeführt, so dass der historische Bestand als solcher stets zu erkennen bleibt. Ziel ist es das Bauwerk neu zu erschließen, es für zukünftige Generation zu bewahren und in seinem Charakter als Ort der kritischen Erinnerung und Reflexion zu stärken.

Die bestehende Eingangsituation wird durch einen neuen Treppenaufgang ergänzt. Dieser zeichnet die südliche Apsis nach und erlaubt es damit den Besuchenden, auch direkt vom Kurfürstendamm das Denkmal zu betreten. Die Gedenkhalle selbst ist von Einbauten befreit, sodass der historische Raum mit seinen Mosaiken zur Geltung kommt. Die einzigen Eingriffe bilden der Tresen und der ergänzte Treppenlauf in der nördlichen Apsis. Über die vom zusätzlichen Eingang und den ergänzten Treppenlauf gestärkte Nord-Süd Achse gelangen die Besuchenden auf die Orgelempore. Der thermische Raumabschluss wird nach Süden verlagert und als Vitrine gestaltet. Auf den zusätzlich möglichen temperierten Raum im Süden der Orgelempore wird aus energetischen und denkmalfachlichen Gründen verzichtet. Von der Orgelempore aus ergibt sich den Besuchenden ein 50 Meter hoher atemberaubender Blick in die Vertikale des Turmes. Die bestehenden Treppentürme erlauben den Auf- und Abstieg zum ersten Umgang.

Die bestehenden Wartungstreppen und die tragwerksplanerischen Eingriffe werden zugunsten einer zweiläufigen Treppenanlage ersetzt. Neben der Erschließung des gesamten Turms garantiert sie die dauerhafte statische Sicherung der historischen Substanz. Durch die als Doppelhelix ausgeführten Treppenläufe wird ein eigenständiger Aufstieg sowie ein entsprechender Abstieg bereitgestellt. Neben der rein ästhetischen Qualität der Treppenkonstruktion wird mit einer Laufbreite von 2,40 m ein hoher sicherheitstechnischer Standard und maximaler Nutzungskomfort gewährleistet. Das großzügige Treppenauge akzentuiert die Gestalt der Turmruine und bietet ein starkes Fotomotiv. Die Treppenläufe fügen damit der Gedächtniskirche ein neues Element und Alleinstellungsmerkmal hinzu, ohne die bereits bestehenden Angebote zu schwächen. Auf der Ebene der Glockenstube erhalten die Besuchenden durch die Triforien einen einmaligen Rundumblick über Berlin. An Spitzentagen ist es sogar möglich, einen weiteren direkten Zugang durch die Treppentürme zu ermöglichen. Um die touristische Anziehungskraft noch zu potenzieren, ist ein Aufgang auf die Dachebene darüber hinaus sinnvoll. Da die vorhandenen nicht bauzeitlichen Notdächer aktuell in einem ungenügenden Zustand sind, wäre ihre Erneuerung im Zuge der Maßnahme anzuraten. Der Einbezug in die Besuchendenführung erscheint damit möglich, wie es bei anderen Denkmälern wie dem Berliner Dom, dem Straßburger Münster, den Türmen von Notre Dame und vielen weiteren bereits realisiert ist. Das vorliegende Konzept gibt insofern eine Empfehlung ab, über die Nutzer und Bauherr gemeinsam entscheiden müssen.

Der gesamte Entwurf ordnet sich den Anforderungen der Denkmalpflege unter und macht gleichzeitig den Besuch der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu einem neuen einmaligen Erlebnis. Von außen bleibt den Berlinern die ikonografische Ansicht ihrer Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erhalten, die in ihrer Erscheinung ohnehin nicht zu überbieten ist. Eingriffe werden minimiert und selbst bei der Haustechnik wie dem Aufzug reversibel und minimalinvasiv ausgeführt. Das bestehende Hauptexponat, die Turmruine selbst, wird durch alle Maßnahmen unterstrichen und gestärkt, um die Besuchenden für die einmalige Geschichte dieses Bauwerks zu sensibilisieren.
Besonderes Augenmerk bei diesem Entwurf wurde auf die flexible und damit auch adaptive und nachhaltige Nutzung der Kirche gelegt. Die bis auf den Tresen freigestellte Gedenkhalle im Erdgeschoss erlaubt eine vielfältige Nutzung sowohl für Gottesdienste als auch für Veranstaltungen.

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